“So will ich nicht mehr weitermachen.” Die Freude an meiner Selbständigkeit war weg. Da stolperte ich über einen Text, der mir die Erkenntnis brachte: Ich muss Disziplin neu lernen. Die etwas andere Disziplin. Mit der herkömmlichen hatte ich nämlich kein Problem, erledigte brav die Aufgaben, die gerade dran waren, auch wenn ich mal nicht die grosse Lust dazu hatte. Eben, DAS war das Problem, meine ausgeprägte Disziplin. In diesem Artikel gehts um die grosse Frage, wohin uns das disziplinierte Arbeiten führt, welche Rolle die Freude dabei spielt und welche Disziplin wir statt der herkömmlichen lernen sollten.

Keine Freude – falscher Weg

Seit 2017 bin ich selbständig. Das sind schon einige Jahre. Ich bin dem Hamsterrad entkommen. Dem Angestellten-Hamsterrad zumindest.

Immer wieder mal nimmt es mich jedoch ins Selbständigen-Hamsterrad rein. Das merke ich lange nicht, weil ich meine Arbeit grösstenteils sehr gern mache und gewohnt bin, sehr viel zu arbeiten. Wenn ich nicht aufmerksam genug bin, lasse ich mich von Kursen, Mentor*innen, fremden Ideen und anderem Vielversprechenden in eine Richtung ziehen, die zwar mit meinem Ziel übereinstimmt, aber nicht über den Weg führt, der zu mir passt.

So kommt es also vor, dass ich ein paar Zeichen der Unlust ignoriere und weitermache. Dass weitere Zeichen von endloser Müdigkeit folgen und meine Motivation nicht wie gewohnt schon beim Aufstehen da ist.

Weil ich ja ein disziplinierter Mensch bin, arbeite ich trotzdem weiter – man kann sich ja nicht jeder Laune einfach so hingeben, die Arbeit muss schliesslich jetzt getan werden.

Wenn ich es weiterhin nicht kapiere, kommt das Leben eben mit der Keule. Dann spüre ich gar keine Freude mehr, muss mich immens anstrengen, um überhaupt noch irgendwas zu arbeiten. Gut möglich, dass ich dann plötzlich nicht mehr kann. Unmöglich, den Laptop aufzuklappen.

An diesem Punkt merke ich dann erst, dass ich wohl irgendwo die falsche Abzweigung genommen habe. Innehalten, Pause machen, gut horchen, was das Innere mir so zu sagen hat.

“Keine Freude mehr? Dann bist du auf dem falschen Weg.”

Das habe ich von Stefan Hiene gelernt: die Freude ist der Kompass. Schon vor dem Retreat 2016 in Arco, als ich ganz nebenbei endlich checkte, dass ich im Grunde nur Rad fahren und an der Wärme, am Meer sein wollte. Und schreiben. Nach diesem berührenden Event, hatte ich mir versprochen, von jetzt an konsequent nur noch der Freude zu folgen – nicht mehr den Aussichten auf Geld, nicht mehr der Hoffnung auf etwas Besseres, irgendwann.

Das ist mir bis jetzt noch nicht sonderlich gut gelungen, aber immerhin erinnert mich das Leben mit der Keule immer wieder mal daran.

So auch letztes Mal, als ich im selbst fabrizierten Selbständigen-Hamsterrad zur Besinnung kam. Eins war klar: So wollte ich nicht weitermachen. Aber was nun?

Die Disziplin der Anstrengung und Mühe

Just im Moment, als ich einigermassen ratlos neben meiner Selbständigkeit sass, fand mich der Aufwachquickie 1292 “Im Moment der Begeisterung gibt es keine Trägheit” von Stefan Hiene. Dieser Audioquickie ist freundlicherweise kostenlos verfügbar. Ab ca. Minute 8 spricht Stefan von der Disziplin.

Einerseits von jener Disziplin, die uns allen im Rahmen unserer Konditionierung beigebracht wird, nämlich das zu tun, was uns jemand (Eltern, Lehrer, Chef, …) oder ganz einfach unser eigener Verstand jetzt zu tun aufträgt.

Dazu haben wir zwar oft keine Lust, aber wir tun es trotzdem, weil die Dinge jetzt getan werden müssen. Das ist die Disziplin der Anstrengung, der Mühe. So ist Arbeit nun mal (glauben wir). Das wird uns von klein auf beigebracht, und wir nehmen es als „die Wahrheit“ hin.

Weil sie vom Verstand aus gesteuert ist, wirst du mit dieser Art von Disziplin nie fertig mit Müssen.

“Die macht dich nur fertig und zementiert den Status quo”, sagt Stefan.

Du wirst immer noch mehr tun müssen, weil der Verstand nie zufrieden ist mit deiner Leistung.

Genau das hat mich in mein Selbständigen-Hamsterrad geführt und k.o. geschlagen (übrigens nicht nur einmal).

Die lohnendere Disziplin lernen

Dann tischt Stefan die andere Disziplin auf:

“Die einzige Disziplin, die ich brauche, ist die, dass ich so lange die Beine still halte, bis die Motivation automatisch da ist.”

Das bedeutet also, du lässt so lange die Finger von dem, was du jetzt eigentlich tun solltest, bis du den Impuls verspürst, es anzupacken. Bis du Lust darauf hast, motiviert bist, bis Begeisterung fürs Tun aufkommt.

Ha! Ist das nicht ein Knaller? Bei diesem Satz dreht mein Verstand schon im roten Bereich: „Woher soll denn das Geld kommen? Wenn das funktionieren würde, würden es ja alle tun. Es kann halt nicht alles Freude machen, also hör auf rumzuspinnen und mach dich an die Arbeit…“ Das ist so das erste, was ich von meinem Verstand höre beim Gedanken an Stefans Art der Disziplin.

Das Aushalten, bis die Freude am Tun von alleine kommt und dich in dieser Zeit nicht dafür zu verurteilen, dass du jetzt gerade nicht das tust, was dir der Verstand eigentlich längst aufgetragen hat, DAS ist die Disziplin, die Stefan zu üben und lernen empfiehlt.

Für den Verstand ist das ein totales No-go.

Stefan sagt es so: “Das ist eine der intensivsten, härtesten und lohnendsten Übungen, die du in deinem Leben jemals machen kannst. Denn dein gesamter Verstand wird dir um die Ohren fliegen. Er wird alles auspacken, was er auf Lager hat. Und du bleibst diszipliniert, indem du ihn ignorierst.”

Lieber untergehen als so weitermachen

Stefan hat diese andere Art der Disziplin jahrelang geübt und sagt dazu:

“Es gibt nichts, was entspannender ist in meinem Leben als diese Veränderung. Alles andere war ein Kampf und ein Krampf. Und es war scheisse. Diese Form der Disziplin war etappenweise noch beschissener, aber ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte, weil ich wollte nicht so weitermachen wie bisher. Und ich war bereit, lieber unterzugehen, als so weiterzumachen, mich zwingen zu müssen und mich selbst unter Druck zu setzen.”

Ja, es war ein Kampf und ein Krampf. Ich wollte nicht so weitermachen wie bisher.

Die Frage war nur noch: War ich bereit, lieber unterzugehen, als so weiterzumachen?

Klar war: Ich würde diese Art der Disziplin lernen, um wieder die Freude ins Zentrum meines Lebens zu stellen.

Fazit

Was ich in diesem Artikel beschreibe, kennen viele Menschen, ob selbständig oder angestellt. Wir setzen die Disziplin über alles, folgen Aufgaben und Regeln, die uns keine Freude bringen. Vielleicht mittel- und langfristig dann mal, aber JETZT halt leider nicht.

Dieses disziplinierte Schuften, um irgendwann etwas Umwerfendes zu erreichen (z.B. Geld verdienen) und dabei endlich eine Prise Freude zu spüren (für diese guten Gefühle in der Zukunft rackern wir uns ja so ab), ist das klassische Wenn-dann-Glück und schiebt das Erleben von Freude immer wieder auf.

Werden wir in unseren letzten Lebensminuten stolz sein auf unsere Disziplin, die wir über die Jahre hatten?

Oder denken wir mit einem letzten Lächeln an die vielen freudvollen Momente zurück?