Nach jahrelangem Suchen und Herumdenken und Zaudern, lebe ich jetzt mein Traumleben. Zeit- und ortsunabhängig. In Italien am Meer oder unterwegs auf einer Fahrradtour. Als Selbständige arbeite ich ohne regelmässiges Einkommen, dafür mit Sinn und Freude. Ein Traumleben?
Was mich lange hinderte, mein Wunschleben zu leben
Mein Wunschleben war seit Jahren:
- Frei sein.
- Mich so oft wie möglich im Freien bewegen.
- An der Wärme sein.
- Menschengeschichten hören.
- Schreiben.
- Unterwegs arbeiten.
- Sinn und Freude in der Arbeit erleben.
- Da bleiben, wo ich will, so lange ich will.
- Weiterziehen, wenn mir nach neuen Impulsen ist.
- Ohne Rückreisetermin.
Jetzt, da ich das alles lebe, erkenne ich, was mich so lange daran gehindert hat, meinen Job zu kündigen und mein Wunschleben zu leben:
Geld
Wie oft sass ich an grauen Wintertagen in einem Büro und hatte Sehnsucht nach Radfahren an der Wärme – für mich der Inbegriff von Freiheit.
Der Gedanke liess mich fast verzweifeln: wie sollte ich es denn je schaffen, so viel Geld zu haben, um einfach loszuziehen?
Es war stets das Geld, das mich hinderte, meiner Sehnsucht zu folgen, meine Freiheit zu leben. Glaubte ich damals. Heute weiss ich: es war mein Kopf, der mich daran hinderte.
Der Kopf, der mir glaubwürdig vorrechnete, dass ich ohne Geld keine Freiheit haben würde.
Das Absurde war, dass ich alleine schon eine Menge Geld verdienen musste, um überhaupt die Grundkosten meines Lebens zu bezahlen – das ich ja in dieser Form gar nicht wollte.
Irgendwann begriff ich, dass ich wählen konnte zwischen zwei Varianten:
1. Vernunftsleben in finanzieller Sicherheit oder
2. Wunschleben mit grösseren finanziellen Risiken
Glaubenssatz: Ich weiss nicht, was ich will
Lange, lange, viel zu lange glaubte ich mir diesen Glaubenssatz: „Ich weiss nicht, was ich will„.
In beruflicher Hinsicht, war mir klar, dass ich nicht in einen Büro-Alltag passe. Aber ich hatte nicht die leiseste Idee, wie ich sonst mein Geld verdienen könnte. Geschweige denn, welcher Beruf mir die Freiheit gab, von unterwegs arbeiten zu können.
Heute ist mir klar: Ich wusste immer, was ich wollte. Schon als Jugendliche wusste ich, dass ich Autorin sein wollte. Bloss ist das eben kein Beruf, den man in einer Lehre erlernt.
Ich liess mir den Wunsch widerstandslos ausreden und ersetzte ihn mit diesem irreführenden Ich-weiss-nicht-was-ich-will, das allerdings eine fantastische Funktion hatte:
Eine grandiose Ausrede, um sich nicht der Herausforderung stellen zu müssen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie ich vom Schreiben meinen Lebensunterhalt verdienen soll. Also versteckte ich mich unbewusst hinter diesem Glaubenssatz.
Ich suchte und suchte und suchte, probierte neue Berufe aus, interessierte mich für Studiengänge, bewarb mich auf mir völlig berufsfremde Stellen: Reiseleiterin, Sozialarbeiterin, Gebärdensprachdolmetscherin, Tanztherapeutin, Deutschlehrerin für Migranten, … – aber nichts behagte mir wirklich.
So blieb ich dabei: Ich weiss nicht, was ich will.
Zwar lebte ich damit nicht gut, verzweifelte nahezu, geriet in eine Depression deswegen – aber ich brauchte mich der Herausforderung nicht zu stellen, herauszufinden, wie ich vom Schreiben leben soll. Das war der Vorteil davon.
Arbeit und Selbständigkeit
Gut verstrickt mit dem Ich-weiss-nicht-was-ich-will war meine berufliche Situation. Ich blieb lethargisch in meinem Bibliotheksberuf sitzen, wechselte immer wieder einmal die Stelle, in der Hoffnung, dass sich etwas Grundlegendes verändern würde, was natürlich nicht geschah.
Lange stand ich mir auch im Weg mit der Idee, dass ich nicht geeignet wäre, als Selbständige mein Geld zu verdienen. In der Tat habe ich grosse Mühe, Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht ideal als Selbständige. Dafür kann ich mich gut organisieren, habe Disziplin, bin kommunikativ.
Wer ist schon die perfekte Selbständige? Jemand kann vielleicht zackig gute Entscheidungen treffen, dafür kann er nicht mit Geld umgehen. Praktisch alle haben ihre Schwachstellen und Zweifel, die nicht ideal für eine Selbständigkeit sind. Aber auch eine Menge Eigenschaften, die eine Selbständigkeit wundervoll vorwärts bringen.
Zudem bedeutet ein ortsunabhängiges Leben ja nicht zwingend eine Selbständigkeit. Zum Glück bieten mehr und mehr Arbeitgeber ihren Angestellten die Möglichkeit, von unterwegs zu arbeiten.
Wie ich den Sprung in mein Wunschleben schaffte
Jetzt könntest du den Eindruck bekommen, dass ich den Sprung in mein Wunschleben „plötzlich“ schaffte, vielleicht wegen eines speziellen Ereignisses wie zum Beispiel ein unverhofftes Erbe, ein neuer Job, ein neuer Partner mit viel Geld, etc. Dem ist nicht so.
Es war ein innerlicher Prozess, der sich über Jahre hinzog, bis ich endlich bereit war, meiner Sehnsucht zu folgen. Äusserlich veränderte sich praktisch nichts. Innerlich eine Menge:
Einstellung ändern
Begonnen hat die Veränderung 2011 auf dem Jakobsweg von Sevilla nach Santiago de Compostela (Via de la Plata). Ich lernte den Deutschen Daniel kennen, der mich mit viel Geduld an den Buddhismus Nichiren Daishonins heranführte. Seit 2013 praktiziere ich diese Form von Buddhismus – und seither hat sich alles zu meinem Besten entwickelt. Diese Praxis hilft mir, jedes Hindernis, das sich mir im Leben zeigt, als Möglichkeit anzusehen, meine wichtigen Wünsche zu realisieren.
Ebenfalls etwa 2013 hörte ich das erste Mal von Veit Lindau. Er ist mein bisher wichtigster Lehrer. Von ihm habe ich gelernt, dass ich mich nicht mit einem „ok-Leben“ zufrieden geben muss, sondern dass viel mehr möglich ist, als unser Kopf uns vormacht, und dass wir unserer Sehnsucht folgen sollen, um unseren Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.
Und: dass wir alle eine innere Weisheit haben, die genau weiss, was richtig und wichtig für uns ist. Wir brauchen sie nur wieder wahrzunehmen und ihr zu folgen. Entspricht ganz dem, was ich im Buddhismus lerne und praktiziere.
Einen grossen Einfluss auf meine innerliche Veränderung hatte auch Stefan Hiene. Ich war 2015 an einem Seminar von ihm, und seither ist mir bewusst, wie sehr ich mich selber einschränke mit allem, was ich über mich und die Welt glaube. Seine radikale Sichtweise rüttelt auf, provoziert und wirft alte Glaubensmuster über den Haufen. Ganz besonders mein Verhältnis zu Geld hat sich dank Stefan entspannt.
Ebenfalls sehr geholfen hat mir ein Coaching bei der grossartigen Sabina Hediger. In diesem Coaching ist mir bewusst geworden, wie sehr ich mich immer noch mit unnützen Glaubenssätzen («Mindfucks») einschränke und mir dadurch selber im Weg stehe, um das Leben zu leben, das ich wirklich will.
Das liest sich jetzt alles so easy: ändere doch kurz mal deine Einstellung. Bei mir ging alles wahnsinnig langsam. Zweifel warfen mich immer wieder zurück in die alten Glaubensmuster. Und doch hat sich die neue Denkensweise immer mehr durchgesetzt, bis ich bereit war, dem Leben zu vertrauen und meiner Sehnsucht zu folgen.
Geduld: dem Leben vertrauen – den Impulsen folgen
Das ist ein dicker Brocken für uns vernunftsgedrillten Menschen. Und ich muss zugeben, dass es mir nach wie vor sehr schwer fällt, meinen Kopf zur Ruhe zu bringen und darauf zu vertrauen, dass mir das Leben zur richtigen Zeit das Richtige liefert.
Das meint übrigens nicht, dass ich mich jetzt einfach zurücklehne und warte, dass mir eine Million vor die Füsse fällt oder sonst etwas Nettes passiert, was mein Leben easy und erfolgreich macht.
Seit mir klar geworden ist, was ich wirklich will, steure ich dieses Ziel mit viel Arbeit an. Gleichzeitig übe ich mich darin, die Impulse des Lebens wahrzunehmen. Das ist ein lustiges Spiel, weil die Impulse manchmal so absurd scheinen.
Seit ich mehr und mehr den Impulse folge, die mir das Leben serviert, haben sich viele gute Dinge ergeben, wie zum Beispiel ein Haussit oder eine wundervolle Zusammenarbeit, wie ich sie mir kaum hätte ausdenken können. Und eine Liebesbeziehung, die ich mir in dieser Form nicht zu erträumen gewagt hatte.
Meine Erfahrung mit dem Vertrauen ins Leben ist noch ziemlich überschaubar. Aber ich habe gelernt, dass es sich lohnt, Geduld zu haben, zu warten, bis ein Impuls aus dem Inneren kommt. Dieser Impuls führt mich schliesslich zu einem Entscheid, der sich richtig anfühlt.
Das ist Übungssache. Und eine süsse Geduldsprobe.
Risiken eingehen
Ohne Risiken einzugehen, verändert sich kaum etwas im Leben.
Meine Risiken betrafen praktisch nur die Finanzen. Da ich keine Kinder habe, trage ich die Verantwortung ausschliesslich für mich. Das macht einen Schritt in ein ortsunabhängiges Leben relativ einfach.
Trotzdem tat ich mich mit dem Risiko, bald einmal kein Geld mehr zu haben, unheimlich schwer. Es war nicht die Angst zu verhungern. Aber die Vorstellung, von jemandem abhängig zu sein, schien (und scheint mir immer noch) unerträglich.
Das ist das Risiko.
Natürlich gibts noch kleinere Risiken, die jede Frau, die sich alleine mit dem Fahrrad auf eine Reise macht, eingeht:
- Unfall
- Krankheit
- Ärger mit aufdringlichen Männern
- Verlust von Freunden
- Und man kann sich noch viel, viel mehr ausdenken…
Das Risiko, in meinem alten Leben zu versauern, zu verbittern, nochmals depressiv zu werden, scheint mir wesentlich ärger als das Risiko, finanziell zu scheitern und eine Weile von jemandem abhängig zu sein.
Alles, was ich in meinem „neuen“ Leben erlebe, ist so reichhaltig, beschert mir Erfahrungen, die mich wachsen lassen und mir wiederum neue Erfahrungen ermöglichen.
DAS ist jedes Risiko wert.
Unterstützung von Familie und Freunden
Nicht zu unterschätzen ist die Unterstützung vom Umfeld. Ich hatte das Glück, dass meine Familie meinen Entscheid zu diesem Nomadenleben nicht behinderte. Meine Eltern hatten wohl so manchen Zweifel an meinem Weg, aber sie versuchten mich nicht davon abzuhalten.
Interessanterweise, oder eher: logischerweise erfahre ich je mehr Unterstützung, je überzeugter ich selber von meiner Lebensweise bin. Anfangs, als ich selber noch zauderte und zweifelte, wurde ich mit Zweifeln aus meinem Umfeld konfrontiert.
Ganz gemäss dem Gesetz der Anziehung: fühle ich Zweifel, werden mir die Zweifel von aussen geliefert. Fühle ich mich sicher bei meinem Tun, bekomme ich Unterstützung dabei. Wie innen, so aussen.
Lebe ich jetzt mein Traumleben?
Ja, ich lebe das Leben, das ich mir so lange gewünscht hatte. An Herausforderungen mangelt es aber auch jetzt nicht.
Es ist mir bewusst, dass immer wieder Momente kommen werden, in denen mich Zweifel packen und schütteln werden. Ich werde lernen, sie auszuhalten und gelassen weiter meinen Weg zu gehen.
Zu den aktuellen Herausforderungen gehören:
Unterwegs arbeiten
Es lebe das Internet! Wie habe ich mir immer gewünscht, da zu arbeiten, wo es mir gefällt. Und plötzlich ist es so, wie ich es mir erträumt habe.
Ich kann irgendwo unterwegs arbeiten: auf dem Mäuerchen vor dem Zelt oder auf einer Treppe oder in der Campingbar oder da, wo ich gerade sonst wohne.
Ich arbeite, wann ich will. Solange ich will. Wann immer ich mich inspiriert fühle.
Ich kann mir kaum mehr etwas Anderes vorstellen.
Was sich mehrfach als illusorisch herausgestellt hat, ist unterwegs zu arbeiten. Auf einer Fahrradreise, auf der ich täglich den Übernachtungsplatz wechsle, ist es praktisch unmöglich, am Abend noch den Kopf beisammen zu haben und gleichzeitig schnelles Internet, Strom und einen ruhigen Platz zum Arbeiten zu finden.
Der Aufwand, täglich einen neuen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, steht in keinem Verhältnis zum mickrigen Output, zu dem ich nach einem Fahrradtag noch in der Lage bin.
Zudem ist es schade um die Reiseerfahrung. Ich halte es für sinnvoller, abends den Ort zu besichtigen, an dem ich angekommen bin und mit Menschen zu reden, anstatt mit glasigen Augen auf den Bildschirm zu gucken.
Keine Ahnung, wie das andere Digitale Nomaden machen, die permanent unterwegs sind – ich jedenfalls brauche immer wieder längere Aufenthalte an einem Ort mit guter Infrastruktur, sonst kommt das Arbeiten zu kurz.
Das liebe Geld
Zum Glück hat sich das Thema massiv entspannt im Vergleich zu meiner anfänglichen Selbständigkeit. Trotzdem ist Geld weiterhin ein Thema.
Der Unterschied zu früher ist, dass ich jetzt das Geld für das Leben nutze, das ich wirklich leben will.
Spannend finde ich, wie stark das Thema Geld in meinen Gedanken wirkt, die ich oft kaum bemerke. In gespannten Momenten in Form von „wenn du so weitermachst, ists bald aus mit deiner Freiheit“. Solche Gedanken sind nicht sonderlich hilfreich. Je bewusster ich sie wahrnehme, desto eher kann ich sie durch konstruktivere ersetzen:
Ich sehe das Thema Geld als nützlichen Antrieb, um meine Arbeit voranzubringen, die ich ja ihretwillen liebe. Im Idealfall arbeite ich mit Leidenschaft an meinen Projekten, was den netten Nebeneffekt hat, dass mir das Geld nur so zufliesst.
SO stelle ich mir meine Arbeits- und Geldsituation vor.
Freundschaften und Familie
Alte Freundschaften und die Familie kommen definitiv zu kurz, wenn ich länger unterwegs bin. Vertraute Gespräche mit Freunden fehlen mir enorm, da gibt es nichts schönzureden. Klar kann man heute leicht in Kontakt bleiben. Aber ein Video-Gespräch ersetzt eben keinen gemeinsamen Aperitif oder einen Kaffeeschwatz im Lieblingscafé.
Wo bin ich zuhause?
Die Frage begleitet mich: wo ist der Wohnort, an dem ich mich richtig wohl fühle? Und: Ist es wirklich wichtig, an welchem Ort ich lebe? Ich litt bisher sehr unter den grauen Wintern in der Flachlandschweiz. Ich mag die verschiedenen Jahreszeiten, liebe einzelne Regentage, fühle mich aber am wohlsten, wenn ich barfuss durch die warme Welt flipflopen kann. Wo also soll es sein?
Fazit
Der Entscheid, den Sprung in ein nomadisches, freies Leben zu wagen, war zweifellos richtig und wichtig. Ich lebe je länger je mehr das Leben, das zu mir passt und habe mir eine erfüllende Arbeit erschaffen.
Es lohnt sich, mutig zu springen und Risiken einzugehen. Wichtig ist aber, auch innerlich bereit zu sein, die eigene Denkweise gut zu prüfen und zu korrigieren, wenn da noch eine Reihe von hinderlichen Glaubenssätzen bremsen.
Wie immer meine Reise, mein Nomadentum, das Arbeiten von unterwegs weiter gehen wird, ich habe schon so viel gelernt, was mir weiterhin dienlich sein wird – es hat sich so oder so schon gelohnt.
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